Das Öko-Traumschiff
Die Europa Seaways wird eines der größten wasserstoffbetriebenen Schiffe der Welt sein
Jede Woche pendelt die DFDS-Fähre die 480 Kilometer zwischen Kopenhagen und Oslo, verbrennt auf ihrer zweitägigen Fahrt 35 Tonnen Öl und spuckt dabei schmutzige Abgase aus ihrem Schornstein. Doch das soll sich nun ändern. Die dänische Reederei hofft, dass bis 2027 ein neues Schiff, die Europa Seaways, diese Strecke mit komprimiertem Wasserstoff befahren wird und nur noch sauberes Wasser ausstößt.
Die Schifffahrtsindustrie ist eines der schmutzigen Geheimnisse des Klimawandels: Wir hören von Autos, der Cloud und sogar Kühen, die zu den Emissionen beitragen. Der Schiffsverkehr aber stößt jährlich 940 Millionen Tonnen CO2 aus und ist für 2,5 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich, dank des schmutzigen Öls und Diesels, das für den Antrieb verbrannt wird. «Wenn die internationale Schifffahrt ein Land wäre, würde sie an fünfter oder sechster Stelle der Treibhausgas-Emittenten in der Welt stehen. Zwischen Deutschland und Japan», sagt Simon Bullock, Forscher am Tyndall Centre for Climate Change Research der Universität Manchester.
Als Reaktion darauf fordert die EU kohlenstofffreie Schiffe bis 2030. Parallel dazu hat die dänische Regierung ein Gesetz verabschiedet, das das Land dazu verpflichtet, die Kohlendioxidemissionen bis 2030 um 70 Prozent zu senken, und von verschiedenen Industrien verlangt, Ideen zu entwickeln, um dies zu erreichen. Beide Bemühungen zur Dekarbonisierung setzen der Schifffahrtsindustrie eine Frist, stellen aber auch Finanzmittel zur Verfügung. as ist ein Grund, warum DFDS jetzt an dem Projekt Europa Seaways arbeitet. Eine Umfrage von Lloyd's Register zeigt, dass verbindliche Vorschriften und finanzielle Anreize die beiden Hauptgründe sind, warum Schifffahrtsunternehmen ihre Dekarbonisierung beschleunigen, wobei die International Maritime Organization darauf drängt, die Emissionen der Schifffahrt bis 2050 um mindestens 50 Prozent zu senken.
Es fehlt an grünem Wasserstoff
Die Technologie - der elektrische Antrieb mit komprimierten Wasserstoff-Brennstoffzellen, die von lokalen Windparks erzeugt werden - funktioniert bereits, muss aber für die Schifffahrt skaliert werden, sagt Jakob Steffensen, Direktor für Innovation bei DFDS. Aber der Treibstoff selbst bleibt teuer, was bedeutet, dass der Bau eines Schiffes, das mit Wasserstoff betrieben wird, finanziell keinen Sinn macht, sagt Steffensen. «Man kann nicht kurzfristig auf die Menge an grünem Wasserstoff zugreifen, die benötigt würde; und selbst wenn wir es könnten, wären die Kosten im Moment noch viel zu hoch», sagt er und fügt hinzu, dass das derzeit viermal so viel kosten würde, als ein Schiff mit Diesel zu betreiben.
Doch das könnte sich bald ändern. Das lokale Energieunternehmen Ørsted arbeitet mit DFDS, dem Schifffahrtsgiganten Maersk und anderen Akteuren der Branche zusammen, um grünen Wasserstoff mit Hilfe der Elektrolyse zu produzieren, bei der Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird, angetrieben von seinen Offshore-Windparks. Die Energiequelle für die Elektrolyse ist der Schlüssel zu dem ganzen Projekt, denn Wasserstoff ist nur so nachhaltig wie die Energie, die zu seiner Herstellung verwendet wird. Und praktischerweise befinden sich diese Windparks in der Nähe des Kopenhagener Hafens. «Mit etwas Glück haben wir eine Menge grünen Wasserstoff ganz in der Nähe verfügbar, wo unsere Schiffe zwischen Kopenhagen und Oslo verkehren», sagt Steffensen.
Indem DFDS als Großabnehmer des Treibstoffs auftritt, hofft das Unternehmen, dadurch die Nachfrage nach Wasserstoff anzukurbeln, den Markt in Schwung zu bringen – um schließlich die Preise zu senken. «Es ist ein Henne-Ei-Dilemma», sagt Steffensen, wenn es um Angebot und Nachfrage geht. «Auf Grund der großen Mengen an Kraftstoff, die benötigt werden, denken wir, dass Projekte wie dieses helfen können. » Das Gleiche geschah mit dem Wind: Vor 20 Jahren wurde diese Energiequelle als Witz angesehen, ein «Hippie-Ding», sagt Steffensen. «Aber wir haben die Kurve gekriegt und jetzt macht es finanziell keinen Sinn mehr, die alten fossilen Verbrennungsanlagen zu bauen.» Wenn das auch auf Wasserstoff zutrifft, könnte der saubere Treibstoff dann für Autos und Lastwagen finanziell interessant werden, fügt er hinzu.
Kurz gesagt, die Herausforderungen für die Nutzung von Wasserstoff liegen nicht bei den Schiffen selbst, sondern beim Markt und seiner Infrastruktur. Alles, Produktion, Speicherung und Transport müssen entwickelt werden. Aber Schiffe brauchen Zeit, um gebaut zu werden, und sie bleiben jahrzehntelang im Einsatz. Auch wenn der Treibstoff selbst noch nicht fertig ist, ist es jetzt an der Zeit, an den Schiffen zu arbeiten, die ihn nutzen könnten. «Schiffe leben lange. Ein Passagierschiff wie dieses kann 30 Jahre alt werden», sagt Steffensen. «Wenn man im Jahr 2050 klimaneutral werden will, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um damit anzufangen.»
Wasserstoff ist ein hochexplosiver Brennstoff
Bei all dem gibt es technische und gestalterische Herausforderungen, von denen Steffensen aber glaubt, dass sie lösbar sind. «Es sind Spitzentechnologien, aber es ist nicht wie ein Forschungsprojekt», sagt er. «Wir können diese Dinge mit den richtigen Partnern machen.» Zu diesen Partnern gehören Ballard Power Systems für die Wasserstoff-Brennstoffzellen, ABB für die Zellintegration, sowie die elektrischen Antriebssysteme und Lloyd's Register Marine and Shipping für die Unterstützung bei der Entwicklung eines Schiffs, das trotz der Verwendung eines hochexplosiven Brennstoffs sicher ist.
Die Brennstoffzellen werden Elektromotoren bewegen, die wiederum die Propeller antreiben. Für den Anfang braucht die Europa Seaways also einen elektrischen Antrieb, aber das ist gerade bei Fähren zunehmend üblich - es gibt sogar Autofähren, die in den norwegischen Fjorden unterwegs sind und ausschließlich mit Batterien betrieben werden. Jostein Bogen, globaler Produktmanager bei ABB AS Marine & Ports, merkt an, dass vor zehn Jahren fünf Prozent der Schiffe mit elektrischem Antrieb gebaut wurden, heute sind es bis zu 15 Prozent. «Wenn man sich anschaut, was im gesamten Transportsektor in Bezug auf die Elektrifizierung von Autos, Lastwagen und Zügen passiert, dann wird dieser Wandel auch in der Schifffahrtsindustrie Einzug halten», sagt er und meint, dass der Elektroantrieb ein zukunftssicheres System ist.
In der Tat ist der Antrieb nur die Hälfte des Problems. Die Fähren, die zwischen Oslo und Kopenhagen verkehren, nutzen schwefelarmes Heizöl; Diesel und Flüssigerdgas (LNG) werden ebenfalls häufig in der Schifffahrt eingesetzt. Um auf Wasserstoff umzusteigen, muss die Industrie die Brennstoffzellen aufstocken – obwohl Bogen von ABB das nicht als große Hürde sieht. «Es geht darum, die Technik zu optimieren und einen guten Weg zu finden, sie sicher zu skalieren», sagt er.
Wasserstoff gibt zwar nur Wasser ab, hat aber auch Nachteile – vor allem in Bezug auf die Sicherheit. Er muss nicht nur bei extrem niedrigen Temperaturen gelagert werden, sondern auch bei sehr hohem Druck, etwa 250 bar.Außerdem sei er extrem explosiv, sagt Charles Haskell, Leiter des Dekarbonisierungsprogramms bei Lloyd's Register. «Die Mindestzündenergie für Wasserstoff beträgt 0,02 mJ, im Vergleich dazu liegt Methan bei 0,29 mJ», sagt er. «Im Falle eines Lecks ist die Wahrscheinlichkeit einer Entzündung also sehr hoch, so dass zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen erforderlich sind. Hinzu kommt, dass die Viskosität gering ist, was die Wahrscheinlichkeit eines Lecks ebenfalls erhöht.»
Das bedeutet, dass in der Zukunft die Schiffe anders konstruiert werden müssen, um ihre Gefährlichkeit zu mindern. Zum Beispiel muss die Elektronik in den Maschinenräumen solcher Schiffe andere Kriterien erfüllen, um zu verhindern, dass sich heiße Oberflächen im Falle eines Lecks an Wasserstoff entzünden. Außerdem ist Wasserstoff sehr schwimmfähig, sagt Haskell, was bedeutet, dass er sich bei einem Leck sammeln und in hoch gelegenen Ecken stecken bleiben kann. «Das bietet aber auch eine Möglichkeit, ihn loszuwerden, wenn man eine Entlüftung eingebaut hat», fügt Haskell hinzu. «Es geht darum, die Gefahren des Treibstoffs zu berücksichtigen und die Schiffe entsprechend zu konstruieren und zu bauen.»
Während die Europa Seaways mit einer Kapazität für 380 Autos und 1.800 Passagieren sehr groß sein wird, funktionieren Wasserstoff-Brennstoffzellen noch nicht für längere Fahrten von internationalen Containerschiffen, da ihre Energiedichte nicht hoch genug ist, so Bogen von ABB. Das bedeutet, dass Schiffe, die lange Strecken zurücklegen, nicht genug Treibstoff für die gesamte Reise mitführen können. Der Wasserstoff benötigt zu viel Platz. Laut Haskell hat Wasserstoff eine Energiedichte, die nur ein Viertel so hoch ist wie die von Benzin. Das Gleiche gilt für Batterien. Steffensen sagt, dass eine Fähre, die auf der DFDS-Route zwischen Schweden und Großbritannien verkehrt, mit der heutigen Technologie eine 5.000 Tonnen schwere Batterie benötigen würde.
Die Lösung liegt in hybriden Antrieben
Eine Alternative könnten Hybridsysteme sein, bei denen die Containerschiffe auf See mit Diesel betrieben werden und in Küstennähe auf Batteriebetrieb umschalten, um die lokale Luftverschmutzung zu reduzieren, nicht aber den Klimawandel. Eine weitere Option ist Kraftstoff auf Ammoniakbasis, der eine höhere Energiedichte als Wasserstoff hat, aber auch hochgiftig ist. Methanol und Biokraftstoffe könnten ebenfalls verwendet werden.
Was wird sich durchsetzen? In zehn Jahren wird es wahrscheinlich ein Mix aus verschiedenen Kraftstoffen sein, je nach Bedarf. «Bei früheren Umstellungen in der Schifffahrt sind wir von Wind auf Kohle und Dampf und dann auf Öl umgestiegen – jedes Schiff hat die gleiche Umrüstung erfahren», sagt Bullock von der Universität Manchester. »Heute werden wir wahrscheinlich einen Mix aus Wasserstoff, Ammoniak, Methanol und Biokraftstoffen sehen.»
Aber der Bau von neuen Schiffen und der Ersatz von bestehenden Schiffen wird Jahrzehnte dauern. In der Zwischenzeit kann die Schifffahrtsindustrie zwei Änderungen vornehmen, die jetzt schon helfen: die Verwendung von Strom oder Batterien in küstennahen Regionen, um die lokale Umweltverschmutzung zu begrenzen, und die Suche nach Energieeinsparungen während der Fahrt. Wenn Schiffe im Hafen liegen, lassen sie in der Regel ihre Motoren weiterlaufen und die Abgase, die sie normalerweise auf hoher See ausstoßen, vergiften die Luft in dicht besiedelten Hafenvierteln. Die Umstellung auf saubere Energie und elektrischen Antrieb wäre eine Lösung. Bis jedoch alle Schiffe umgestellt sind, gäbe es auch die Möglichkeit, im Hafen an die Steckdose zu gehen. Allerdings nur dort, wo die Häfen in Systeme zum Anschluss an das lokale Stromnetz investiert haben.
Zweitens können Unternehmen Anpassungen an ihren Schiffen vornehmen, um den Kraftstoffverbrauch zu senken. «Es ist schwierig, mit einer Technologie wie Wasserstoff nachzurüsten – man braucht völlig andere Motortypen und Antriebssysteme», sagt Bullock. Selbst wenn bis zum Ende dieses Jahrzehnts neu gebaute Schiffe mit alternativen Kraftstoffen ausgestattet werden, wird es seiner Meinung nach noch viele Jahre lang bis zu 80.000 Schiffe geben, die mit alten Kraftstoffen fahren. Um die Emissionen jetzt zu senken, können wir den Treibstoffverbrauch reduzieren, indem wir einfach langsamer fahren oder einen windunterstützten Antrieb, besser bekannt als «Segel», hinzufügen. «Es ist die neue Verwendung einer alten Technologie», sagt Bullock.
Ein Springbrunnen anstelle des Schornsteins
Wenn DFDS und seine Partner die wasserstoffbetriebene Europa Seaways erfolgreich bauen können, wird das Unternehmen nach eigenen Angaben jährlich 64.000 Tonnen Kohlenstoffemissionen einsparen. Darüber hinaus wird das den Reisenden auch eine ruhigere Fahrt ermöglichen, ohne dass ein Schornstein Abgase ausspuckt. DFDS fragte Kunden auf seinen Social-Media-Kanälen, was den ikonischen Schornstein auf dem neuen Wasserstoffschiff ersetzen sollte, und ein Vorschlag war ein Springbrunnen, der das saubere Wasser nutzt, das von den Wasserstoff-Brennstoffzellen produziert wird. «Wenn man den Schornstein absenkt, gäbe es eine große, schöne Fontäne – das wäre eine gute Möglichkeit für uns, zu kommunizieren, worum es hier geht: dass man tatsächlich ein 200 m langes Schiff antreiben kann und das einzige Abgas dabei aus sauberem Wasser besteht,» sagt Steffensen. «Das würde ich meinen Kindern gerne zeigen.»